Durch die fortschreitende Automatisierung haben Anzahl und Komplexität technischer Komponenten auch in der Medizin (z.B. im klinischen Kontext oder im Homecare-Bereich) stark zugenommen. Neben effektiveren und effizienteren Therapie- möglichkeiten bringen diese Systeme/Geräte mit einem immer breiter werdenden Funktions- spektrum und komplexeren Bedienschnittstellen jedoch auch Probleme in Form systeminhärenter und humaninduzierter Gefährdungspotenziale mit sich. Studien haben gezeigt, dass vermeidbare Fehler, gerade im Zusammenhang mit dem Einsatz technischer Geräte in der Medizin, zu einem überdurchschnittlich hohen Anteil auf menschliche Fehlhandlungen zurückzuführen sind.
Eine Risikoanalyse der Mensch-Maschine-Interaktion (MMI) (z.B. im Rahmen des Usability-Engineering Prozesses nach IEC 60601-1-6 bzw. IEC 62366) wird in vielen Fällen zu spät bzw. nicht ausreichend durchgeführt. Dies liegt u.a. daran, dass derzeit eingesetzte Risikoanalyse-Werkzeuge (z.B. FMEA, FBA) und formal-analytische Usability-Evaluierungs-Methoden hinsichtlich ihrer Modellierungsstruktur eingeschränkt und daher oft nicht zur detaillierten Abbildung und Analyse komplexer Mensch-Maschine-Interaktion nutzbar sind. Insbesondere die Abschätzung und Bewertung humaninduzierter Fehler sind problematisch.
Am Lehrstuhl für Medizintechnik der RWTH Aachen wurde im Rahmen des BMWi-geförderten AiF/FQS-Projektes INNORISK eine neuartige Methode zur modellbasierten Usability- und Risikoanalyse entwickelt. Diese ermöglicht es Herstellern risikosensitiver Systeme, schon frühzeitig im Entwicklungsprozess eine formal-analytische Usability-Evaluierung und MMI-bezogene Risikoanalyse durchzuführen. Aufbauend hierauf wurde die softwaregestützte mAIXuse-Methode erarbeitet und implementiert. Diese kann entwicklungsbegleitend prospektiv sowie auch im Rahmen der Analyse bzw. Umgestaltung bereits existierender Mensch-Maschine-Schnittstellen und deren Validierung eingesetzt werden.
Im Rahmen einer Aufgabenmodellierung mit integrierter Fehleranalyse u.a. basierend auf Taxonomien menschlicher Fehler (GEMS, Klassifikation aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes etc.) werden interaktive Prozesssequenzen charakterisiert und deren potenzieller Einfluss auf den Gesamtprozess bewertet. Innerhalb der graphischen Notation ist es möglich, sowohl verschiedene Aufgabenkategorien (z.B. Abstraktion, Wahrnehmung, Mensch-Mensch-Interaktion, System) zu beschreiben, als auch Wechselwirkungen zwischen Aufgaben mit Hilfe zeitlicher Relationen (z.B. Sequenz, Nebenläufigkeit, Informationsübergabe, Auswahl) abzubilden.
Verschiedene Dialoge eines Planungs- und Navigations- systems zur Positionierung eines Hüftkopfoberflächenimplantats wurden mit der mAIXuse-Methode und einer Prozess-FMEA untersucht. Die Testergebnisse mit unterschiedlichen Probandengruppen zeigen deutliche Vorteile der mAIXuse-Methode bzgl. Effektivität und Effizienz (objektive Bewertungs- kriterien) sowie eine durchweg positivere Bewertung durch die Testpersonen hinsichtlich der Gebrauchstauglichkeit (subjektive Kriterien).
Herr Dipl.-Ing. Armin Janß wurde für die Entwicklung dieser neuartigen Analyse- und Bewertungsmethode im April 2010 als einer von zwei Preisträgern mit dem mit 10.000 Euro dotierten Walter-Masing-Preis der Deutschen Gesellschaft für Qualität e.V. (DGQ) ausgezeichnet.
Die Methode wurde bereits erfolgreich in verschiedenen Forschungs- und Entwicklungsprojekten bei Industriepartnern angewandt (u.a. Aesculap AG & Co. KG, Biotronik GmbH & Co. KG., BEGER DESIGN, SurgiTAIX AG).
Im Rahmen unseres Dienstleistungsspektrums zum Bereich Risikomanagement/Usability-Engineering bieten wir neben Seminaren und Workshops auch die Begleitung und Durchführung entsprechender Gebrauchstauglichkeitsuntersuchungen an.
Kontaktieren Sie uns, wenn Sie Interesse an weiterführenden Informationen oder einer Anwendung im Zusammenhang mit Ihren Produkten haben.