Abgeschlossenes Teilprojekt am Helmholtz-Institut der RWTH Aachen im Rahmen des BMBF-geförderten Verbundprojektes MINOP II
(Laufzeit: 10/2001-9/2004)
Förderkennzeichen 16SV1442/0
Im Rahmen der Entwicklung eines elektronischen Operationsmikroskops für endoskopunterstützte neurochirurgische Eingriffe wurde am Helmholtz-Institut eine kompakte, semi-robotische Plattform zur räumlichen Handhabung einer stereoskopischen Kamera ("Exoskop") entwickelt. Sie besteht aus einem neuartigen, multifunktionalen Bogen zur Plattform-Fixierung am OP-Tisch, einer manuellen Vorpositioniereinrichtung sowie einer mechatronischen Einheit zur freihändigen, präparationsbegleitenden Feinhandhabung des Exoskops. Die Plattform wird vom Operateur mittels einer Kombination aus Sprach- und Kopfsteuerung kontrolliert. Dabei dient die Spracheingabe der Moduswahl, während die Kopfbewegungen des Chirurgen zur intuitiven Anpassung des Exoskop-Blickwinkels auf den Operationssitus genutzt werden.
Das System wurde realisiert und sowohl hinsichtlich seiner technischen Eigenschaften als auch bezüglich der Mensch-Maschine-Interaktion evaluiert.
Zur Erfüllung der spezifischen Anforderungen endoskopischer und endoskopunterstützter neurochirurgischer Eingriffe [1] wurde als Teilaspekt im Rahmen des MINOP II-Projektes der Ansatz durchgehend elektronischer Bildaufnahme, -verarbeitung und -wiedergabe verfolgt. Dabei wird zur Bildaufnahme zum einen eine extrakorporale, stereoskopische Kamera ("Exoskop") verwendet. Zum anderen gewährleistet ein spezielles Stereo-Endoskop die direkte Sicht auf das Präparationsgebiet. Zur individualisierten Bildwiedergabe werden Head-Mounted-Displays (HMDs) genutzt [2]. Die dadurch erreichte Unabhängigkeit von herkömmlichen Mikroskop-Okularen ermöglicht dem Operateur und den Assistenten die Wahl einer komfortablen und ergonomischen Körperhaltung im Gegensatz zur bislang häufig belastenden, erzwungenen Positionsanpassung an die Einstellmöglichkeiten des Mikroskops [3].
Zur freihändigen Steuerung der räumlichen Exoskop-Position und -Orientierung wurde am Helmholtz-Institut im Rahmen des MINOP II-Projektes sowohl eine Telemanipulationsplattform als auch speziell angepasste Benutzerschnittstellen entwickelt. Im Gegensatz zu den relativ großen, schweren und schlecht transportablen aktuellen Operationsmikroskopen wurde das entwickelte System als flexible, kompakte Einheit konzipiert, die mittels eines neuartigen, multifunktionalen Bogens direkt an einem beliebigen OP-Tisch fixiert werden kann.
Basierend auf einer eingehenden Analyse der technischen Randbedingungen und Benutzeranforderungen hinsichtlich Arbeitsraum, Charakteristik von Exoskopbewegungen, Sicherheitserfordernissen und OP-Integration wurde ein semirobotisches Plattformkonzept erarbeitet [4]. Es umfasst einen multifunktionalen Anästhesiebogen zur Plattformbereitstellung im bislang kaum genutzten sterilen Raum oberhalb des Patienten, eine manuell betätigte, parallelgeführte und gewichtsausgeglichene Vorpositioniereinheit sowie einen Feinpositionierroboter zur freihändigen, präparationsbegleitenden Exoskophandhabung in 5 Freiheitsgraden (Abb. 1). Aus Sicherheitsgründen im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Nutzung eines sichtfeldeinschränkenden HMDs und langstieliger endoskopischer Instrumente wurde der sechste Freiheitsgrad, die Zustellung auf den OP-Situs mit Hilfe des Kamera-Zooms realisiert.
Die Steuerung des Exoskops durch den Operateur erfolgt freihändig mit einer kopfgetragenen Einheit. Diese besteht aus einen stereoskopischen Display zur Wiedergabe der mittels Exoskop und/oder Endoskop aufgenommenen Bilder, einem Orientierungs-Sensor zur Registrierung der Kopfbewegungen sowie einem akustischem Headset (Mikrofon und Kopfhörer) zur Spracheingabe bzw. zur Ausgabe des akustischen Feedbacks.
Mit Hilfe der Sprachsteuerung können die in Tab. 1 angegebenen Handlungsmodi ausgewählt werden. Während des Betätigens eines miniaturisierten, fingerfixierten Bestätigungstasters werden dann die entsprechenden Aktionen freigegeben. Die Exoskopbewegungen werden dabei, entsprechend dem Ausmaß der Kopfrotation, im Koordinatensystem des dargebotenen Bildes ausgeführt, um die intuitive Koordination zwischen Sicht und Bewegung zu gewährleisten.
Tab. 1: Modi und Exoskop-Aktionen
turn Rotation um das Exoskop-Zentrum |
pivot Rotation um einen Blickpunkt im Situs |
lean Rotation um die optische Achse |
shift Translation parallel zum Situs |
zoom Wahl des Zoom-Faktors |
focus Wahl der Fokussierungseinstellung |
center Rückkehr zum Arbeitsraumzentrum |
home Initialisierung und Zentrierung |
Die konzipierte Exoskop-Plattform und ihre Komponenten wurden im Rahmen des Projektes in einem Demonstratorsystem realisiert (Abb. 2). In Zusammenarbeit mit den klinischen Partnern wurden sowohl einzelne Komponenten evaluiert, als auch ein späterer klinischer Einsatz verbunden mit der ebenfalls im Projekt entstandenen Endoskop-Manipulationsplattform im neurochirurgischen OP simuliert.
Die Evaluierung der Handhabbarkeit und OP-Integration des multifunktionalen Bogens fand zusammen mit erfahrenem OP-Personal statt. Im Rahmen entsprechender Tests wurden sowohl Zeitaufwand und Komfort der Bogeninstallation als auch seine Notfalltauglichkeit mittels Videoanalysen und Nutzerbefragungen untersucht. Sowohl Aufbau, als auch Notfallentfernung waren in sehr kurzer Zeit möglich (die Installation des Bogens erforderte ca. 2-3 Minuten, die Notfallentfernung nur wenige Sekunden). Sie wurden als sehr einfach und intuitiv durchführbar bewertet.
Die Evaluierung der Kopfsteuerung und der verschiedenen Bewegungsmodi beinhaltete beispielsweise die Ermittlung von Effektivität, Effizienz, Erlernbarkeit, Zuverlässigkeit und Nutzerzufriedenheit. Dazu wurde eine virtuelle Testumgebung erstellt und die jeweils erforderliche Zeit zur Erfüllung unterschiedlicher Positionierungs- und Orientierungsaufgaben gemessen. Außerdem beurteilten die Testpersonen verschiedene Systemaspekte im Rahmen spezieller Fragebögen. Diese Untersuchungen ergaben wichtige Erkenntnisse zur Optimierung der Steuerung und der Bedienmodi, wie z.B. den klaren Vorteil der Positions- gegenüber der Geschwindigkeitssteuerung [5].
Die im Rahmen des MINOP II-Projektes am Helmholtz-Institut entwickelte semirobotische Telemanipulationsplattform wurde speziell zur Erfüllung der besonderen Anforderungen endoskopunterstützter neurochirurgischer Eingriffe entwickelt. Dabei wurden spezifische Vorteile eines robotischen Systems (z.B. freihändige Kamerahandhabbarkeit) mit menschlichen Stärken (z.B. hohe Flexibilität) kombiniert, um Größe, Gewicht und Kosten der Plattform zu reduzieren. Es wurden angepasste Benutzerschnittstellen und optimierte Interaktionsmodi entwickelt, um den Operateur möglichst umfassend bei der mehrdimensionalen intraoperativen Kamerahandhabung zu unterstützen.
Zukünftige Arbeiten im Zusammenhang mit dieser Thematik werden insbesondere im Hinblick auf eine weitere Optimierung der Plattform hinsichtlich Miniaturisierung, weiter vereinfachter Nutzung und größtmöglicher Sicherheit durchgeführt werden.